Tag der offenen Tür / Weinbergstrasse 10 Cottbus

Gruppe1

zur Kunst von Günther Rechn / von Peter Rösiger

Im Rahmen des heutigen Tages der offenen Tür in diesem durchaus sehr gelungenen sanierten Bürohaus, herzlichen Glückwunsch Dieter Werner, verbindet sich dies mit der Eröffnung einer kleinen Ausstellung mit großer Kunst und dies in des Wortes doppelter Bedeutung. Ich durfte gemeinsam mit Günther Rechn die Bilder aussuchen und wir haben beide diese räumlich und thematisch zugeordnet. Nun ist es üblich, ein paar Worte zum Künstler und dessen Kunst zu sagen, was mir nun ebenfalls zufällt.
Günther Rechn – ein Cottbusser, ein Lausitzer, ein deutscher Künstler, der mit seiner Motivpalette schon immer Welten durchschreitet. Er ist ein unermüdlicher Schöpfer, der durch lebenslange, intensive Auseinandersetzung mit Kunst und Kulturgeschichte und schlichtweg dem, was sein Auge ihm zeigt und dieses in Phantasie fortführt und dabei eine außerordentliche Perfektion erreicht hat. Seine Lehrer auf der Burg Giebichenstein in Halle, worunter besonders Willi Sitte als beeindruckender Zeichner nachhaltig wirkt, haben großen Anteil an seiner Bildauffassung, dem das genaue Beobachten vorausgeht und das Zeichnen eben die wichtigste Grundlage ist. Auch darin ist Rechn ein Meister, der mit schnellem Strich das Wesentliche einer Figur herauskehrt. Das Studium, das er 1966 in Halle an der Burg Giebichenstein begann, endete nur pro forma mit dem Diplom, denn ein Künstler wie er studiert lebenslang. Als Meisterschüler Willi Sittes ist Günther Rechn bis heute meisterlich.
Kommen wir zur Ausstellung. Die Herausforderung war nicht etwa, die ausgewählten Bilder gut zu hängen, auch nicht, die richtigen Worte zu finden, um Sie, liebes Publikum, in die Bilderwelt einzuführen und den Maler dieser Welten vorzustellen, der für Sie ohnehin kein Unbekannter ist. Die Herausforderung war, aus einen Konvolut von 70-80 hervorragenden Bildern die herauszufiltern, die besonders für diese räumliche Situation geeignet sind. Die diese kleine Schau einzigartig machen und den Tag der Eröffnung dieses Gebäudes wunderbar abrunden. Ein Haus kann noch so groß sein, man würde ohnehin nicht alle Bilder zeigen können, der der fleißige Maler Jahr um Jahr hervorbringt. Daher sehen Sie heute hier eine Art Kammerspiel.
Was haben die Affen, die Pferde, die Figuren, die Blumen, die Landschaften, die wir hier sehen, miteinander gemeinsam? Sie haben einen Auftritt, eine regelrechte Bühne, auf der sie präsentiert, manchmal inszeniert, aber immer ins „richtige Licht“ gerückt sind. Das „richtige Licht“ ist hier mit Anführungszeichen zu verstehen, denn es geht nicht unbedingt immer um Schönheit und Perfektion. Das „richtige Licht“ unterstreicht oft das Unverstellte, Unperfekte, das Detail in einer Momentaufnahme, was mitunter erheiternd und ironisch, aber auch ernsthaft und kritisch daherkommt. Licht eist ein künstlerisches Stilmittel, das betont, hervorholt, aber auch Dinge auslässt, das Kontraste schafft und den Blick leitet. Licht bedarf aber gleichfalls der dunklen Seiten, der Schatten, des Undurchsichtigen. Nur dadurch entstehen, Tiefen, Spannungen und Harmonien.
Günther Rechn ist Schöpfer dieser Harmonien und Spannungen. Er ist zudem ein hervorragender Beobachter: Orte, Landschaften, zwischenmenschliche Situationen, Körpersprache von Tieren und das stille Leben von Stillleben. Seine Themen sind ein Panoptikum – eine Ansammlung von Sehenswürdigkeiten und Kuriositäten. Worum es immer geht, ist die Beziehung zwischen dem Motiv und uns als Betrachter. Rechn ist nicht zimperlich, im Gegenteil, er stellt Figuren in anatomischer Perfektion zur Schau – ob Mensch, ob Tier – kostet den ungewöhnlichen Betrachter Standpunkt aus. Wie eine Momentaufnahme – als hätte jemand in dieser Sekunde auf den Auslöser gedrückt und unfreiwillig dramatische wie komische Szenen festgehalten. Er ist ein Meister darin, Menschen und Tiere so in der Bewegung festzuhalten, dass wir als Betrachter mitunter Zeugen skurriler Gestik und Mimik werden.
Heraus kommt eine faszinierende Mischung aus ungewöhnlicher Perspektive, einem flirrenden Licht, einer sonderbaren Stimmung und oft eben dieser Portion Humor. Humor lädt immer auch zur Auseinandersetzung ein, ob bei gesellschaftskritischen Themen oder ganz alltäglichen – auch wenn oder gerade weil wir uns häufig selbst erkennen, wenn wir aus dem Bild heraus angeblickt werden, uns berührt oder gar beteiligt fühlen. Wenn Sie gleich durch die kleine, feine Ausstellung gehen, lassen Sie sich eine Moment Zeit bei dem ein oder anderen Bild und schauen Sie genau hin. Der Affe auf dem Hocker – Günther Rechn gibt ihm den Titel „Hanuman“. Hanuman ist eine Hinduistische Gottheit in der Gestalt eines Affen. Ironisch, hintergründig, aber nicht respektlos wählt Rechn das Motiv. Zwar wenig göttlich und in „affiger“ Haltung, dennoch von einem erhabenen Standpunk aus dreht sich Hanuman dem Betrachter zu. Das Tier, der Vogel, den er zerpflückt in den Händen hält, ist seins, das macht er mimisch und gestisch deutlich.
Das „Narrenschiff“ geht auf eine spätmittelalterliche Moralsatire zurück, in der zahlreiche Narren Kurs auf das fiktive Land Narragonien nehmen. Der Welt wird durch eine unterhaltsame Schilderung ihrer Laster und Eigenheiten kritisch und satirisch der Spiegel vorgehalten. Der Narr in seiner Sonderstellung als gottverneinende, sündige Figur genießt die sog. Narrenfreiheit. Dass bei Rechn alle die nahezu selben clownesken Gesichter tragen, überhöht die Tatsache, dass letztendlich alle im selben Boot sitzen und dabei vor Gott und der Welt doch gleich sind, so sehr sie auch versuchen, sich auch aus der Menge hervortun oder zu verstecken. Die schwarzen Vögel im Hintergrund verheißen der illustren Reisegruppe nichts Gutes…
Eine weitere, menschliche Überhöhung ist das Bild „La Onda“ – die Welle. Zu sehen ist eine fast artistisch anmutende Auftürmung aus unzähligen nackten Figuren, die einer Welle gleich ihren Zenit erreicht hat und jeden Moment zu brechen droht. Was erzählt diese Welle? Es ist alles Menschliche, Verführung, Rausch, Geltungsdrang, das überdosiert und maßlos sein kann und im wahrsten Sinne des Wortes in der Herde mitschwimmt. Man fragt sich unwillkürlich: Was passiert als nächstes? Wird gleich das ganze, jämmerliche Sündenbabel an Land gespült?
Und dann der große Pückler. Eine Künstlerpersönlichkeit, die auch Rechn fasziniert und deshalb für ihn immer wieder zum Sujet wird. Vielleicht kennen sie seinen Pückler auf Stelzen, der heute in Branitz hängt. Diesmal finden wir ihn sitzend auf einem bronzenen Löwen vor dem Schloss Muskau, welchen es aber zu Pücklers Zeiten dort noch gar nicht gab. Aber Rechn entwickelt eine großartige Allegorie des Parklöwen Pückler, der erhobenen Hauptes in jene vom ihm gestaltete Parklandschaft blickt.
In weiteren hier gezeigten Arbeiten finden wir den Menschen in seinen Ansprüchen aber auch Unzulänglichkeiten, natürlich stets überhöht.
Aber es ist auch wichtig, dass Kunst das vermag und darf. Banalitäten bekommen wir zur besten Sendezeit im Fernsehen, aber hier sein zu können, Hochkultur auf höchst unterhaltsame Weise zu erfahren, ist doch ein großes Geschenk. Danke, dass Sie dabei sind.

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